Der Papstbesuch war. Die Mahnwache auch. Messe gelesen. Zum Papst kamen deutlich mehr, das war abzusehen. Das aber letztlich zur Mahnwache 30 Personen kamen, eher nicht. Von den 30 Aufrechten hatten lediglich neun die frohe Botschaft via Facebook erhalten, zwei ihre Teilnahme mit ‚Ich nehme teil‘ angekündigt. Für Facebook ein beachtlicher Erfolg.

Das größte Kontingent neben den von Organisatorin Petra Stainko eingeladenen Freunden stellten die Ärzte für Tiere bzw. die Tierversuchsgegner mit sieben, gefolgt von ETN und Pfotenkriegern mit je vier. Während sich ETN-Präsident Dieter Ernst extra zur Mahnwache angereist war, hielten es viele Vereine nicht für nötig, selbst ’simple‘ Mitglieder zu einer Teilnahme zu bewegen. Aber vor dem Olympiastadion zählt in erster Linie der Olympische Gedanke…

Zu übersehen waren wir hingegen nicht. Das fand auch die BVG und scheuchte uns von einem geschlossenen Gitter fort, an das wir unsere 4x1m großen Banner befestigt hatten. Polizei-Einsatzleitung und das Deeskalationsteam der Einsatzkräfte konnte die BVG-Verantwortlichen nicht beruhigen, wir mussten weichen. Macht aber nix, wir belegten gute 20m im besten Sichtbereich und erregten außer Aufsehen auch die eine oder andere kochende Volksseele im Glauben feste. Manch Mittelfinger wurde Hilfe suchend gen Himmel geschoben, viele versuchten es mit Auslachen, Zunge zeigen, den Blick senken, abwenden oder unterschwelligen, manchmal auch offenen Beschimpfungen.

Horden mit blutroten Umhängen maskierter Glaubensbrüder und -Schwestern versuchten ihrerseits, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, verteilten Werbematerial wie auch Berlin Air und andere Nichtsesshafte den Straßenfeger. Seit dem die ultra-orthodoxe Pius-Brüderschaft dank Benedikt trotz – vielleicht auch wegen – der Holocaust-Verleugnung aus der Chef-Etage wieder salonfähig gesprochen wurde, durften auch diese ‚Neokons‘ fleißig ‚Flyern‘, beim leiblichen Wohl hingegen punkteten die Krishnas (plink-plink-plink, plink-plink-plink) überraschend textfest mit veganen Kokosbällchen und dem üblichen Hare Krishna, Hare Rama, Rama Rama, Krishna, Krishna. Das hielten die auch dank der veganen Leckerei über Stunden durch. Respekt.

Immer wieder wurden in Gruppen Reisebusse durchgewinkt, eine Delegation reiste standesgemäß mit Luzifer-Reisen an, was Raum für Spekulationen bot, aber nein, Herr Ratzinger reiste anderen Ortes ein und konnte sich so die dargebotenen Tiergräuel nicht zum gebenidkten Herzen nehmen. Wie schade denn aber auch, ist doch gerade Ratzingers Benedikt des Volkes Stimme gegenüber offen. So lange sie nur fleißig beten.

Frohe Botschaften an aufgeblasenen Kondomen konnten die gleichermassen in verdunkeltem Bus vorbei fahrenden Purpur-Röcke nicht erreichen, zu früh erhob sich die böse, böse Provokation in den nicht besonders blauen Himmel. Alles zu spät hingegen für den beherzten Anzugträger, der mit vollen Backen ein Schnitzel kauend erklärte, warum Tiere für alles gut, nicht aber beseelt  und somit natürlich – wer könnte da gesunden Verstandes dran zweifeln – auch nicht schützenswert seien. Guten Appetit, mein Herr, der Stellvertreter Gottes auf Erden wird seine helle Freude haben an jenem eifrigen Rotbäckchen. Leider ist es eben so, dass Vertreter nicht den besten Ruf geniessen.

Der freundliche Einsatzleiter aus Niedersachsen teilte uns dann gegen 18:30 Uhr mit, dass der scheinheilige Vater wohlbehalten im Stadion angekommen sei und für uns damit nicht direkt erreichbar wäre. Wer hätte das gedacht.

Immerhin widmete uns MZ-Media ein paar Minuten Media, ob letztlich was gesendet wird oder unser stummer Protest sich schlicht versendet hat, bleibt abzuwarten.

Wir widmen diesen kleinen Erlebnisbericht all jenen, die nun ganz zerknirscht bei Facebook vor dem Monitor bei Tofu und blaßgrünem Tee sinnieren, warum die Pfotenkrieger-Seite mit dem Demo-Material 358x aufgerufen wurde, 247 tapfere Tierfreunde offenbar verschollen sind und das Werfen von Fernbedienungen selten aktiv zum Wohle der Tiere nennenswert beigetragen hat. Voller Enthusiasmus werden auch wir zum nächsten Anlass Aufrufe starten in der Gewissheit, dass in unser vom Internet geprägten Zeit eines schönen Tages auch ein Wort wieder das bedeutet, was es einst mit Handschlag galt. Schöne, neue Zeit.

Ach ja, Fotos für ‚gefällt mir‘ werden bald online sein, denn alles andere sind nur…

Worte? Messe gelesen…

© Michael Marx – 09/2011

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