Der Tierschutz ist auf den Hund gekommen – und dabei, den Rest an Vertrauen zu verspielen, den er einst genoss. Ja, der real existierende ‚Tierschutz‘ – die Schreibweise mit Anführungszeichen wird demnächst als aktuell in den Duden einfließen – ist abgesoffen in einem zähen Morast aus Gewinnstreben, Eifersucht, Verleumdungen, Selbstmitleid, Einzelgängen, Egoismus und Zerstrittenheit, ein Tierschutzdesaster.
Die betroffenen Tiere halten sich trotz ‚Tierschutz‘ so gut sie können, dennoch ist der Lärm mittlerweile so laut, das selbst die Politik beginnt ihn wahr zu nehmen. Das ist ein schlechtes Zeichen. Ein sehr schlechtes Zeichen. Selbst meine Chica – und das ist das schlechteste Zeichen – kotzt aktuell synchron zum Thema gerade auf den Teppich. Ach Kleene, wie Recht Du hast…
Ein Verein fordert Transportkosten, Unterhalt, Tierarztbesuche, Schutzgebühr und Futterkosten von Pflegestellen, wird seinerseits von holländischen Tiermafia-Piraten unterwandert, die dem naiven Verein gleich mal den Internetzugang zur ehemals eigenen Webseite versperren, acht Wochen alte Welpen kastrieren und gleich mal eben 231 Hunde mit nach Holland nehmen wollen: es gibt – natürlich – keine Tierversuche, ja nee, ist klar. Das Ganze spielt in Rumänien, wo sonst. Das ist natürlich fiktiv: der Verein ist nur ein Ehepaar, das ursprünglich helfen wollte. Und der Rest? Stimmt.
Das werden Hunde an Minderjährige vermittelt. Da werden Hunde eingeflogen, die von der Vermittlerin erst am Reisetag persönlich in ‚Augenschein‘ genommen werden und als virtuelle Zeitbomben mit Wurmladung den wohl meinenden Haltern erst einmal horrende Arztkosten bescheren.
Da wird gelogen, dass sich die Balken biegen: nein, Herzwürmer gibt es nicht auf Malle, was heißt Gesäugetumore, Grauer Star, Zahnfäule, war doch klar, das Tiere aus Tötungen (?) mal was haben können, wenn sie sich das Geld zur Behandlung nicht haben, warum kaufen sie sich keine Meerschweinchen?
Da verbringen Hündinnen ein Leben lang tragend, säugend, tragend, säugend, tragend, säugend als lebende Gebärmaschinen, Hunde werden vom Bauchladen weg verramscht.
Da stehen Menschen, die Glück hatten mit ihrer ‚Adoption‘, die nichts weiter war als Kauf zum Sonderpreis für viele, wie ein ‚Mann‘ hinter einer ‚Vermittlung‘, obwohl sie weder Person, noch Umfeld, noch Hintergründe, noch sonst etwas kennen und schießen aus der mentalen Wagenburg heraus mit Kanonen auf den Spatz der Wahrheit.
Da wird beschimpft, beleidigt was das Zeug hält, weil man auch mit Dokumenten, mit Beweisen, mit Zeugen nichts erreichen kann gegen die schwarzen Schafe und weil der Kampf um die Fleischtöpfe der Spenden und Hunderettungskäufer immer dreckiger wird.
Da werden Tiere im Sommer in einen Transporter zusammengepfercht und nicht einmal kontrolliert, ob die Klimaanlage auch funktioniert und erst nach stundenlanger Fahrt durch Zufall – weil die Fahrer pinkeln müssen – festgestellt, dass sich sterbende Hunde um die letzten Sauerstoffatome in drückender Hitze balgen und nicht im Spiel: Kollateralschaden, etwas Schwund ist immer. Aber alle anderen wussten alles besser und nutzen die Gunst der Stunde, vorgeblich Schuldige vorzuverurteilen und so eine Sau durchs Dorf zu treiben, die es nicht gibt, denn das hilft, die eigene Vermittlerei in ein besseres Licht zu stellen.
Da werden überall Spenden gesammelt für Decken, Halsbänder, Futter, Hastenichgehört, nicht aber für Massenkastrationen, Aufklärungsarbeit, Hilfe zur Selbsthilfe und andere, wirklich nützliche, Dinge.
Da wird vorgegaukelt, es sei oberstes Ziel, Hundeseelen zu retten, verschwiegen wird aber, dass auf jeden geretteten Hund mutmaßlich zehntausend kommen, die elendlich auf der Straße verrecken oder vernichtet oder ausgebeutet werden, weil kaum jemand nachhaltig denkt und bereit ist, das Übel an der Wurzel zu packen und die Drecksarbeit zu tun in den schlimmsten Ländern.
Da werden Mitgliedsbeiträge an Vereine entrichtet, die schon Konkurrenz wittern und sich komplett verweigern, wenn sie aufgefordert werden, an einer Weltveranstaltung gegen Tierquälerei mitzumachen. Diese ‚Tierschutzvereine‘ bestimmen via Oder de Mufti über die Köpfe der (zahlenden) Mitglieder hinweg, dass sie sich heraus halten aus einem gemeinsamen Kampf gegen jede Form der Tierquälerei, um an anderem Termin ihr egoistisches und zynisches eigenes Süppchen auf moralisch kleiner Flamme zu köcheln. Eine Rechnung, die leider zu oft aufgegangen ist – nur gibt es heute eben Facebook, Twitter und Co.
Da gibt es die ‚Großen‘, die lieber Schiffsneubauten einbauen und Schornsteine erklimmen, als diese unspektakulären Dinge zu tun, wie Teil einer gemeinsamen Aktion zu sein.
Da gibt es Politiker, die sich aus dem Tierschutz her aushalten, weil, wie JEDEN TAG Wahlkampf ist und – noch – mehr Wähler Fleisch essen als eben nicht, die sich aber gewiss sein können, dass die Nichtfleischesser sie dennoch wählen werden, da es selbst denen schwer fällt, mit Omnivoren zum Schutz ihrer Schützlinge gemeinsam zu handeln.
Da gibt es die Katholische Kirche, deren erster Papst mit Rückrat in der gesamten schmutzigen Geschichte Tieren eine Seele zu spricht, was der Deutsche Vollstrecker im Dienste ultrakonservativer Bünde zum Schutz der Gewinn vermehrenden Pfründe nolens volens sofort wieder kassiert. Aber was soll man erwarten von einer Institution, denen man nicht einmal die eigenen Kinder anvertrauen darf.
Jeder pöbelt gegen jeden, jeder kämpft um ’sein‘ Terrain, das eigentlich den Tieren gehören sollte, was ursprünglich sogar mal so war, Kritiker werden als Nestbeschmutzer beschimpft, was allerdings mittlerweile eher als Auszeichnung verstanden werden sollte, weil Ottilie und Otto Normalverbrecher sich nicht informieren, sondern sich lieber auf dem Weg des geringsten Widerstands Wissen- und Gewissenlos treiben lassen und glauben, was einfach zu konsumieren ist und auf die Sucht nach heiler Welt passt wie der eigene Arsch auf den bequemen Eimer der Kritiklosigkeit.
Es wird Zeit für eine heilsame Palastrevolution, die die Spreu vom Weizen trennt, das Unterste zu Oberst kehrt und so eine öffentliche Diskussion über Sinn und Unsinn dessen los tritt, was Tierschutz tut und lässt, der das Grundkonzept in Frage stellt und somit ganz automatisch auch die eigene Einstellung zum Thema. Es wird Zeit, bestehende Strukturen aufzubrechen, zu verändern, zu erneuern in offener, öffentlicher Diskussion. Es wird Zeit, mit offenen Karten zu Spielen, BEVOR sich der gesamte Tierschutz im Sog der zynischen Trittbrettfahrer selbst ad absurdum geführt hat.
Es geht nicht mehr um Rekonstruktion, es geht um Neukonstruktion. Und einer sinnvollen Neukonstruktion geht immer eine Dekonstruktion voraus, die Zeit von neuem Putz auf bröckelnde Wände ist vorbei. Tierschutz braucht neue Architekten, neue Ideen, neue ‚Macher‘, neue Allianzen – nicht aber immer neue Vereine, nicht aber immer neue Laubenpieper in immer kleineren Gärten mit immer höheren Zäunen.
Im Moment ist sehr viel vom Tierschutz nicht besser als die, die ihn nötig gemacht haben. Leider.
Natürlich gibt es auch Positives, gibt es auch Vorbilder, auch hervorragende Arbeit. Aber all das droht langsam aber sicher im morast zu versinken. Der Artikel soll auch ein Aufruf an diejenigen sein, sich zur Wehr zusetzen. Der Artikel soll erst Recht ein Aufruf sein an Mitglieder und -läufer, zu hinterfragen, zu recherchieren, einzufordern und im schlimmsten Falle eben auch, auszutreten, sich zu distanzieren initiativ zu werden.
Nachtrag: ALLE, die sich nicht rühren und rührig Vorhandenes verteidigen, machen sich schuldig. Ob Vereinsvorstand, Mitläufer, Hundekäufer, Händler, ob Otto oder Ottilie, Schweigen und Duldung ist mit Zustimmung gleichzusetzen. Einen schönen Montag noch.
© Michael Marx – 07/2011
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