Mal wieder in einer Diskussion vegan vertan. Auto- hassen Brummi-, beide Radfahrer, alle drei Fußgänger, diese wiederum die anderen drei Gruppen, einige von allen Hundebesitzer, diese fast alle anderen, kaum einer sich selbst, die Überlebenden dieser Kategorie mit den meisten anderen zusammen schlechtes Wetter und Mundgeruch und alle außer Dieter Bohlen und Lichtenberger Rentner weiße Tennissocken.
Hassen tun sie alle, mal mehr, mal weniger. Auf der Seite der ‚Kaumhasser‘ wären wohl die Bhuddisten zu nennen – kommen Sie mir nicht mit den Zeugen Jehovas, nicht mit denen! -, am anderen Ende der Skala Islamisten, Klerikale, Veganer und militante (?) Tierschützer. Eines aber eint alle: sie haben Recht, chronisch und immer.
Das die Verhütung der Verhütung seitens so genannter christlicher Instanzen völlig irre ist, weiß jeder. Ja, außer den Klerikalen, klar. Sicher, die auch Radfahrer sein könnten und Fruktarier. Oder Linksträger. Zum Beispiel. Völlig irre auch der durch eine befreundete Tierärztin belegte und dokumentierte Versuch einer Veganerin, im Sinne des Tier- und Artenschutzes ihre Katze vegan zu ernähren – wodurch diese klapperdürr und völlig entkräftigt fast vom Behandlungstisch purzelte – was ebenso viel Sinn macht, wie Zebrabuntbarsche an zart angebratene Kalbsmedaillons heranzuführen. Vielleicht sollte man den Versuch unternehmen, diese Dame an den Gedanken einer Existenz von Kanninchen und Goldfischen zwecks Heimtierhaltung zu gewöhnen, sie soll sie schließlich nicht zubereiten. Auch nicht ganz ernst zu nehmen der Ansatz eines ebenso veganen Mitmenschen, dass doch Hunde und Katzen einzuschläfern seien, da die Halter durch deren Haltung allein schon millionenfachen Tiermord zu deren artgerechter Fütterung (immerhin!) in Auftrag geben würden. Soweit, so schlecht, aber wer wiederum würde dann den millionenfachen Tiermord an Haustieren in Auftrag geben wollen? Der das Töten von Tieren zur Nahrungsaufnahme ablehnende Veganer? Hieße dass, das man Kreaturen nur zur Nahrungsaufnahme nicht töten darf? Aber Tiere, die andere Tiere fressen wollen würden, schon?
Der Gute sah ein, dass auch das in sich nicht wirklich schlüssig wäre, dennoch aber vegan lebenden Menschen das Halten von Haustieren, die Fleisch fressen, verboten sollte. Konsequent gedacht. Eigentlich, wäre, sollte und könnte – also eben nicht.Hand auf’s Herz: würden die Veganer einfach vegan leben ohne einem als ‚Fleischfresser‘ – allein dieser Terminus sagt genug aus – ungefragt und hohnlachend immer und immer wieder ihren Wachturm der Gutmenschlichkeit zu hauen, ich zumindest hätte meinen ohnehin niedrigen Fleischkonsum drastisch reduziert. Oder sogar ganz eingestellt. Toleranz. Wie erkläre ich dieses Unwort nur? Vielleicht so: Ich bin Nichtraucher. Schlimmer noch, gewordener Nichtraucher. Dennoch: Besuch darf rauchen. Von ein paar Tagen des Passivrauchens im Jahr sinkt meine Lebenserwartung um die Minuten, die ich sonst eh sinnlos vergeuden würde mit Aufregen über das Rauchen. Den Rest erledigt lüften.Will sagen: wenn ich mal Fleisch esse, dann von dort, wo man Namen, Blutgruppe und Hufgröße meines Rindviehs noch kennt. Das kostet teuer, schmeckt prima, erhält einen Arbeitsplatz und schädigt so wenig wie möglich. Eines Tages verzichte ich bestimmt auch ganz. Aber entspannt und aus freien Stücken. Trotz der Gruselbilder sinnlos abgemähter Felder, mutwillig geknickter Halme und endloser Flächen verarmter Monokulturen.
Evolution ist langsam, Revolution selten erfolgreich, geschweige denn nachhaltig. Schwer einzusehen allerdings, wenn sogar Scheuklappen sich noch zu Sehschlitzen verengen.Das der Verzicht auf Fleisch gut ist und dank der Möglichkeit von Nahrungsergänzungsmitteln auch ohne Mangelerscheinungen bestens gelebt werden kann – und wohl auch sollte – steht mittlerweile außer Frage. Dass aber der Umstieg nicht von heute auf morgen per Order de Mufti erfolgen kann, sondern ein Lern- und Verstehprozess sein muss, auch. Das es nicht zwingend ein veganisches oder frutarisches Leben sein muss, allerdings ebenso. Den Weg, einer nachfolgenden Generation das Fleischessen durch Ekelbilder und Greuelfilme via Brechreiz zu vermiesen und automatisch alle, die mit Fleischverzehr zu tun haben, als Mörder zu brandmarken, ist der falsche Weg. Richtig wäre, durch Vorleben, sanftes Überzeugen mit schmackhafter und sättigender Nahrung und gesunder Lebensweise, Toleranz ohne Überheblichkeit und der lächelnden Entspanntheit eines Menschen, der für sich weiß, das Richtige zu tun Mitmenschen da abzuholen, wo sie gerade stehen. Durch blinden Aktionismus, Intoleranz, Gutmenschenattitüde und Reizbarkeit vermitteln gerade Veganer aber oft das, was den Fleischessern Wasser auf die Mühlen gibt: „Esst doch erst mal ein anständiges Steak, damit ihr klar kommt!“
Die einzigen Revolutionen, die in jüngster Geschichte nachhaltigen Erfolg zu haben scheinen, waren bei genauer Betrachtung die sanften Revolutionen, die Revolutionen, die ohne Blutvergießen auskamen – und damit meine ich , auch ohne akustisches und visuelles Blutvergießen.Auch Veganer sind herzlich eingeladen, sich auf einen Menschen zurück zu besinnen, der völlig gewaltlos und mit sanftem Nachdruck mehr erreichte, als alle Schreihälse vor- und nach ihm zusammen: Mahatma Ghandi. Fleischlos.
© Michael Marx – 02/2011
Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International Lizenz