Schön, das Sie Stufe eins der Wunschhundfragen überstanden haben, ohne am Wunsch, an sich oder den gelesenen Tipps verzweifelt zu sein. Sie wähnen sich am Ziel? Weit gefehlt.

Gesetzt den Fall, die grobe Richtung inklusive ‚rassiger‘ Alternativen steht fest. Wie sieht es denn aus mit der Geschlechterfrage? Der des Hundes? Soll es eine Hundedame sein oder eher ein Rüde? Nicht so wichtig? Und ob!

Hundedamen – Ladies first – haben parallel zum Menschen auch ihren Zyklus, wenn auch nur zwei-, bei kleinen Hunden oft drei-, bzw. bei alten Hündinnen nur ein Mal im Jahr, eine Menopause findet allerdings nicht statt. Machen Sie sich keine Sorgen, sie werden diesen Zyklus – bei Hundedamen Läufigkeit genannt – merken:

Viele Hündinnen lecken sich den Vaginalbereich sauber, so dass sie keine Blutspuren zu sehen bekommen, aber eine Schwellung der Vagina sendet Alarmsignale: gnäää Frau werden für Rüden hoch interessant, auch wenn sie noch nicht deckbereit sind. Wer Stress vermeiden möchte, nimmt Madame an die Leine, meidet Hundewiesen und warnt sich nähernde Hundebesitzer, bevor Rüden und Halter in Wallung geraten. Gefahr in Sachen ungeplantem Nachwuchs besteht zwar ’nur‘ in der deckbereiten Zeit, der ‚Standhitze‘, aber Vorsicht ist in jedem Fall besser. Die Standhitze ist für erfahrene Hundebesitzer ersichtlich beim ersten Abschwellen der Vagina, deren Schleimhaut jetzt blass, pappig/klebrig und schollenartig gefurcht erscheint. Aber auch in der so genannten Nachbrunst ist die Hündin unter Umständen noch deckbereit!

Bei einigen Hündinnen können darüber hinaus Scheinschwangerschaften auftreten. Eine solche ist erkennbar an deutlich verändertem Verhalten: Die Hündin verhält sich teilweise deutliche aggressiver gegenüber Artgenossen (Schutzinstinkt), es kann zu verstärkten Trennungsängsten kommen, auch zu Appetitlosigkeit, alles folgen eines durcheinander geratenen Hormonhaushalts – und das in ’schöner‘ Regelmäßigkeit…

Ja, es gibt eine Lösung. Und ja, diese wird oft heiß diskutiert: die Kastration. Wer eine Hündin nach der ersten Läufigkeit kastrieren lässt, hat Ruhe. Das ist eine Entscheidung, die aber weit wichtigere ‚Nebenwirkungen‘ hat: auch Hündinnen geht es nicht gut während einer Scheinschwangerschaft, die hohes Stresspotential besitzt, Gesäugetumoren wird vorgebeugt, die Hündin wird ausgeglichener und eine ungewollte ‚Bereicherung‘ durch Welpen wird vermieden. Pflichtkastrationen sind die einzige Möglichkeit, die explosionsartige Vermehrung von Streunern zu verhindern. Oft sind es ungewollte Welpen von ‚Familienhunden‘, die ausgesetzt werden und so für stetige Verschlimmerung der Situation sorgen, besonders dort, wo eine Kastration zu teuer ist.

Läufigkeit ist aber auch bei Rüden ein Problem. Wer gewohnt war, mit  Rüden leinenlos durch den Wald zu stromern, der wird schnell merken, dass Abrufbarkeit von einer Sekunde zur anderen kein Thema mehr ist – wenn eine läufige Hündin (gar nicht mal sooo) nahe ist. Auch der kleinste Kerl mutiert in Sekunden zum wilden Macho und wird versuchen, aufzureiten: gestandene bei einer ‚Luftnummer‘ über einer irritierten Pekinesin, lütte Zwergpinscher im Hochsprung hinter einer Retriever-Dame, nichts scheint unmöglich, sieht man einmal von den ebenso verzweifelten wie vergeblichen Versuchen der noch erregteren Halter ab, ihre ‚Männer‘ zur Räson zu bringen.

Auch hier: Kastration baut Stress ab und verhindert eine Ausweitung der Überpopulation, kein Halter kann immer überall sein und Kastration beinhaltet die Bereitschaft, Verantwortung zu tragen im Sinne einer Vermeidung der ‚Produktion‘ weiterer Streuner oder Heimbewohner!

Darüber hinaus kommt es nicht selten vor, dass unkastrierte Rüden miteinander Probleme haben, ohne ‚Ausdiskutieren‘ der Rangfolge miteinander umzugehen. Das kann durchaus blutig enden, wenn zwei ausgewiesene ‚Alphamännchen‘ aufeinander treffen. Ganze Kerle, die liebevoll mit kleinen Rüden, mit Hündinnen aller Größenordnungen, mit Kindern spielen, können beim Anblick von vermeintlichen Rivalen etwa gleicher Größe zu wilden Kriegern mutieren, die selbst an der Leine schwer zu beruhigen sind.

Gerade was Rüden angeht, steht der Vernunft aber eine Einstellung von HalterInnen (überproportional vertreten in sozial schwachen Gruppen, in Gruppen mit Migrationshintergrund, aus dem ‚Milieu‘) gegenüber, die einen ‚ganzen Kerl‘ um sich haben wollen, einen Hund ‚mit Eiern‘ brauchen – auch zum Ausgleich eigener Defizite. Nicht umsonst bietet die Industrie inzwischen Kunsthoden aus Silikon in unterschiedlichen Größen an. Was allerdings eher dem seelischen Gleichgewicht der Halter dient als dem des Tieres…

Kastration ja – nein: wir empfehlen sie, weisen aber ausdrücklich darauf hin, dass die Meinungen zu diesem Thema weit auseinander gehen. Und ja: wir fordern sie bei allen Tieren aus dem Ausland.

Als weiteres Kriterium sei das Alter erwähnt. Auch wenn Welpen so süß und so putzig sind: Welpenaufzucht gehört in erfahrene Hände. Gerade in der Prägephase ist Sorgfalt und Fachwissen wichtig, mit der richtigen Ernährung kann der Grundstein zu einem langen und gesunden Leben gelegt werden – oder für ein Leben mit schwer auszugleichenden Mangelerscheinungen bis hin zu Knochenschädigungen und Allergien. Die Mängel einer Aufzucht unter schlechten Bedingungen auszugleichen, kann zur Lebensaufgabe werden, Ergebnis ungewiss. Für einen Welpen sollte sich nur entscheiden, wer bereits viel Erfahrung mitbringt, oder in enger Zusammenarbeit mit Tierarzt und fachlicher Beratung bereit ist, viel Zeit, Geduld, Nerven und Geld zu investieren, um einen gesunden, ausgeglichenen und zufriedenen Begleiter zu bekommen. Welpen sind kein Spielzeug für Kinder, kein Geschenk, kein spontaner Gelegenheitskauf!

Wer über wenig Erfahrung verfügt oder sich den ersten Begleiter zulegen möchte, ist unter fachkundiger Beratung sicher mit einem kastrierten Hund im Alter von 3-6 Jahren einer zum eigenen Umfeld, zum eigenen Charakter passenden Rasse oder einem entsprechenden ‚Mix‘ am besten beraten – auch wenn wir das Wort ‚Anfängerhund‘ ganz schrecklich finden…

In Teil drei beschäftigen wir uns mit dem ‚Woher‘ – Quellenstudium…

© Michael Marx – 11/2011

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